Gespinstmotten im Allgemeinen

 

In Westeuropa kommen 10 Yponomeuta-Arten vor. Diese gehören zu den Nachtfalter aus der Familie der Gespinst- und Knospenmotten (Yponomeutidae). Die Falter haben weiße Vorderflügel mit feinen schwarzen Punkten, die Hinterflügel sind braungrau, mit gleichfarbigen Fransen versehen, sowie einem schuppenlosen „Fenster“ an der Flügelbasis (Abb 1.). Die Yponomeuta-Arten lassen sich nur sehr schwer an äußeren Merkmalen voneinander unterscheiden, sind aber an ihre Vorliebe für bestimmte Nahrungspflanzen (Wirtspflanzenspezifität) erkennbar.

 

Über 80 % des Blattfraßes findet während des letzten Raupenstadiums im Juni statt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Blätter noch zart und weisen große Mengen an gut verwertbaren Stickstoffverbindungen auf. Durch die erhebliche Menge an anfallendem, leicht abbaubarem Raupenkot wird ein Großteil der durch den Blattfraß verloren gegangenen Mineral- und Nährstoffe dem Wirtsbaum zurückgegeben. Bei besonders starkem Befall können ganze Sträucher oder Bäume kahl gefressen und eingesponnen werden. Alle paar Jahre kommt es zu regionalen Massenvermehrungen. Die Fraßzeit der Raupen liegt in der ersten Hälfte der Vegetationsperiode somit können betroffene Pflanzen im Laufe des Sommers wieder austreiben. Abgestorbene Kronenpartien bilden wieder Ersatztriebe. Normalerweise erleiden die befallenen Gehölze nicht mehr als eventuell einen Zuwachsverlust. Milde, schneearme Winter begünstigen das Überleben der geschlüpften, überwinternden Eiräupchen.

Abbildung 2: Gespinst an einem jungen Apfelbaum.
Abbildung 3: Lebenszyklus der Apfel-Gespinstmotte (Yponomeuta malinellus). Aus Nordisk familjebok ca. 1910.

Als besonders effiziente Gegenspieler dominieren Schlupfwespen (Ichneumonidae). Auch Raupenfliegen (Tachinidae) spielen eine wichtige Rolle. Aus der Gruppe der Erzwespen (Chalcidoidea) lebt die Mehrzahl hyperparasitisch, d. h. sie parasitieren Yponomeuta-Gegenspieler. Dies ist ein wirksamer Mechanismus, der die Wirtstierpopulation bei einem hohen Aufkommen von Gegenspieler vor einer Überausbeute schützt. Mit einer Ausnahme, die Erzwespe Ageniaspis fuscicollis Dallman, 1820 (Hymenoptera: Encyrtidae). Diese Erzwespe ist ein sehr effizienter Gegner von Yponomeuta-Arten. Weitere wichtige Eigelegeräuber sind z. B. der Ohrwurm (Dermaptera: Forficula auricularia) oder die Larve der Grünen Florfliege (Neuroptera: Chrysoperla carnea). Weitere Räuber haben sich mehr auf das Puppenstadium von Yponomeuta-Arten spezialisiert. Hier spielen Ameisen die wichtigste Rolle.

Die Apfel-Gespinstmotte Yponomeuta malinellus Zeller, 1838

 

Die Apfel-Gespinstmotte Yponomeuta malinellus erreicht eine Flügelspannweite von 16 bis 23 Millimetern. Die Weibchen können bis zu 150 Eier in Gelegen von 15 bis 60 Stück an zwei bis vierjährigen Trieben in der Krone von Apfelbäumen (Holzapfel, Malus silvestris und Kulturapfel, Malus domestica) ablegen. Die Eigelege befinden sich in der Nähe von Knospen und werden mit einem gelblichen Schleim bedeckt. Dieser dient nach seiner Aushärtung als wasserdichte Schutzschicht. Innerhalb von 8 bis 15 Tagen schlüpfen die Eiraupen und überwintern unter der Schutzschicht. Im Frühjahr, sobald die mittlere Tagestemperatur bei etwa 12° C liegt, dringen sie in die Knospen ein. Nach der ersten Häutung, die nach zehn bis zwölf Tagen stattfindet, leben die Larven auf den Blättern. Dies geschieht während der Apfelblüte. Es werden Gespinstnester von bis zu 200 bis 300 Raupen errichtet (Abb. 2). Die Larvenentwicklung im Frühjahr beträgt 37 bis 45 Tage. Die erwachsenen Raupen verpuppen sich, wenn die Apfelbäume die überzähligen Fruchtanlagen abwerfen, in einem dichten weißen Seidenkokon. Die Kokons hängen eng aneinander im Raupengespinst (Abb. 3). Die Puppenruhe dauert acht bis 15, manchmal auch bis zu 20 Tage. Die Falter haben eine Lebenserwartung von 20 bis 30 Tagen. Tagsüber sitzen sie inaktiv an schattigen Stellen auf der Blattunterseite. 2 Wochen nach dem Schlupf paaren sich die Falter, nach weiteren 5 bis 6 Tagen beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Die Apfel-Gespinstmotte bildet eine Generation im Jahr. Eine zunehmende Bedeutung kommt der biologischen Bekämpfung zu, hierbei werden natürliche Feinde wie z. B. Ageniaspis fuscicollis (Hymenoptera: Encyrtidae) eingesetzt. Auch das frühzeitige Absammeln kann das Schlimmste verhindern. Der Einsatz von Spritzmittel sollte nur gut überlegt und fachlich korrekt durchgeführt werden, denn auch Nützlinge werden durch diese Behandlung getötet.

Verfasser: T. Schweizer

Literatur zum direkt Nachlesen

 

  • Schütze, K. T. 1931: Die Biologie der Kleinschmetterlinge unter besonderer Berücksichtigung ihrer Nährpflanzen und Erscheinungszeiten. Handbuch der Microlepidopteren. Raupenkalender geordnet nach der Illustrierten deutschen Flora von H. Wagner. Verlag des Internationalen Entomologischen Vereins e. V., Frankfurt am Main 1931.