Bestäubung

Von Bienen und Blümchen

Die Bestäubung von Blütenpflanzen durch Insekten gehört zu den erfolgreichsten Kooperationen in der Natur - und das schon seit circa 140 Millionen Jahren1. Eine ganz erstaunliche Entwicklung, denn die Kooperationspartner sind oft hochspezialisiert.

Die Insekten werden mit farbigen Blüten oder über den Geruch der Pflanzen angelockt. In vielen Blüten befindet sich zuckerhaltiger Nektar und proteinhaltige Pollen. Der Nektar dient den erwachsenen Insekten als Nahrung, der Pollen wird für die Entwicklung des Nachwuchses benötigt. Ein Teil des Pollens bleibt beim Blütenbesuch am Insekt hängen und wird bei der Nahrungssuche auf die nächsten Blüten übertragen (Abb. 1). Die nächste Pflanze wird so bestäubt und kann Samen ausbilden.  Das ist nicht nur bei Ertrag liefernden Kulturpflanzen wichtig, sondern sichert auch den Fortbestand natürlicher Wildpflanzen. Die Bestäubung gehört zu den ökosystemaren Dienstleistungen (ecosystem services) der Insekten.

Abbildung 1: Sandbiene (Andrena sp.) beim Pollensammeln auf Krokus (Crocus sp.)

Kurz und bündig...

Bestäubung ist wichtig! Neben dem jährlichen volkswirtschaftlichen Wert von 153 Milliarden Dollar ist die Bestäubung für die meisten Pflanzen in der Natur essenziell. Viele Pflanzen könnten zwar auch windbestäubt Früchte bilden, allerdings mit deutlichen Einbußen in Qualität und Quantität. Während die Honigbiene allgemein als der Bestäuber schlechthin bekannt ist, sind ihre wilden Verwandten in vielen Fällen sogar die effizienteren Bestäuber. Im Laufe der Evolution haben sich bestimmte Bienenarten an bestimmte Blüten angepasst – und umgekehrt. So spielen spezielle Bestäubungstechniken oder die Rüssellänge der Bienen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung „ihrer“ Blüten.

Volkswirtschaftlicher Wert der Bestäubung

Wissenschaftler schätzen, dass weltweit 87,5 % aller Pflanzen durch Insekten bestäubt werden2. Häufig wird angegeben, dass ein Drittel unserer Nahrung direkt von Bestäubern abhängt. Diese Schätzung geht auf eine Veröffentlichung des USDA (United States Department of Agriculture) aus den 1970ern zurück3. Ein aktueller Sachstandsbericht der IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) kommt sogar zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Nahrungspflanzen weltweit in Ertrag oder Qualität von der Bestäubung abhängig sind4.

Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht alle insektenbestäubten Pflanzen gleichermaßen auf die Bestäubung angewiesen sind: Tomaten- und Erdnusspflanzen liefern ohne Bestäuber lediglich 10% weniger Ertrag; Raps, Baumwolle und Erdbeeren jedoch bis zu 40% weniger. Viele Früchte, darunter Äpfel, Birnen, Pfirsiche und Himbeeren wären ohne Bestäubung zwischen 40 und 90% seltener. Der Fruchtansatz von Kürbisgewächsen, Vanille- und Kakaopflanzen wäre sogar um mindestens 90 % verringert5.

Der weltweite volkswirtschaftliche Wert der Bestäubung wird derzeit auf 153 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt6. Laut der Studie entfallen bereits auf Obst und Gemüse je circa 50 Milliarden Dollar.

Gibt es Äpfel auch ohne Bestäubung?

Im Frühjahr 2018 startete der Zeppelinhof in Unterteuringen am Bodensee einen Versuch: Über einen Teil der Apfelbäume wurden Netze gestülpt, sodass Bestäuber die Blüten nicht mehr erreichen konnten. Durch die Maschen der Netze konnten die Blüten aber weiterhin windbestäubt werden. Ein Teil der abgedeckten Bäume wurde von Hand mit Pinseln bestäubt. Das Ergebnis war eindeutig:

  • Die Handbestäubung dauerte eine Stunde pro Baum. Letztendlich führte diese Methode zu extrem vielen Äpfeln – ein Plus von 70 %. Allerdings waren die Äpfel von schlechterer Qualität und zu klein für den Markt, sodass sie lediglich zu Saft verarbeitet werden konnten.
  • Die Windbestäubung erzielte zwar extrem große Äpfel, allerdings musste der Landwirt hier einen Ertragsverlust von 30 % in Kauf nehmen.

Der Versuch zeigte, dass die von den Insekten geleistete Bestäubung doch die besten Ergebnisse erzielt7.

Bestäuber - mehr als nur Honigbienen

Die meisten Bestäuber sind Wildtiere. Dazu zählen bei uns verschiedene Wildbienenarten, Fliegen, Schmetterlinge und Nachtfalter, Wespen und Käfer (Abb. 2). In tropischen Gegenden bestäuben sogar Fledermäuse und Vögel. Lediglich ein kleiner Anteil der Bestäuber eignet sich zur Haltung durch den Menschen. Die bekannteste Nutztierart in diesem Zusammenhang ist die Westliche Honigbiene (Apis mellifera). Daneben eignen sich auch ausgewählte Hummelarten zur Haltung als effiziente Bestäuber4.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, die Honigbiene sei der perfekte Bestäuber, liefern verschiedene wissenschaftliche Studien neue Erkenntnisse. Im direkten Vergleich mit anderen Bestäubern schneidet die Honigbiene schlechter ab, fand eine Arbeitsgruppe der University of California8 heraus. Weitere Studien ergaben, dass Wildbienen die effizienteren Bestäuber sind9: In einem Experiment an 41 Nutzpflanzenarten beobachtete man, dass Honigbienen zwar deutlich mehr Pollen auf den Blüten verteilten, jedoch bildeten lediglich 14 % der Pflanzen nach dem Besuch von Honigbienen mehr Früchte. Im Vergleich dazu bildeten alle der 41 untersuchten Arten mehr Früchte nach dem Besuch von Wildbienen10. Darüber hinaus weist der britische Hummelforscher Dave Goulson darauf hin, dass Honigbienen besonders unter kalten oder nassen Bedingungen keine Blüten besuchen – ganz im Gegensatz zu Hummeln11.

Abbildung 2: Bestäuber. (a) Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), (b) Fliege, (c) Schwalbenschwanz (Papilio machaon), (d) Prächtiger Blattkäfer (Chrysolina fastuosa).

Jeder Blüte ihre Biene

Zusätzlich beherrschen nur Hummeln und einige andere Wildbienenarten die Vibrationsbestäubung. Durch schnelle Bewegungen der Flugmuskulatur „vibriert“ der ganze Körper des Insekts und schüttelt somit den schwer zugänglichen Pollen aus der Blüte12. Honigbienen beherrschen diese spezielle Technik zum Pollensammeln nicht. Für die erfolgreiche Bestäubung von beispielsweise Tomaten und Kartoffeln ist diese Technik aber zwingend notwendig11.

Einheitsgröße? Nein Danke! Auch Pflanzen mit außergewöhnlich tiefen Blüten, beispielsweise Rotklee, sind auf die Bestäubung durch spezielle Insekten mit langen Rüsseln angewiesen 11. Die Rüssellänge variiert beträchtlich unter unseren heimischen Wildbienenarten: Während die Rüssel der Maskenbienen (Hylaeus) lediglich 1,1 mm lang sind, misst der Rüssel der Honigbiene (Apis mellifera) immerhin 6,5 mm. Der Rüssel Dunkler Erdhummeln (Bombus terrestris) ist im Durchschnitt sogar weitere 2 mm länger. Rekordhalter in Sachen Rüssellänge ist die kleine Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes): Zwischen 19 und 21mm misst der Rüssel und das bei einer Körpergröße von nur 14-15 mm13! So sind die verschiedenen Wildbienenarten optimal an „ihre” Blüten angepasst.

Verfasser: M. Moser

Literatur zum direkt Nachlesen

  1. Grimaldi, D. A. & Engel, M. S. Evolution of the insects (Cambridge Univ. Press, Cambridge, 2006).
  2. Ollerton, J., Winfree, R. & Tarrant, S. How many flowering plants are pollinated by animals? Oikos 120, 321–326; 10.1111/j.1600-0706.2010.18644.x (2011).
  3. McGregor, S. E. Insect Pollination of Cultivated Crop Plants (Agricultural Research Service, U.S. Department of Agriculture, 1976).
  4. Potts, S. G. et al. The assessment report on pollinators, pollination and food production (Secretariat of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, Bonn, Germany, 2016).
  5. Aizen, M. A., Garibaldi, L. A., Cunningham, S. A. & Klein, A. M. How much does agriculture depend on pollinators? Lessons from long-term trends in crop production. Annals of botany 103, 1579–1588; 10.1093/aob/mcp076 (2009).
  6. Gallai, N., Salles, J.-M., Settele, J. & Vaissière, B. E. Economic valuation of the vulnerability of world agriculture confronted with pollinator decline. Ecological Economics 68, 810–821; 10.1016/j.ecolecon.2008.06.014 (2009).
  7. Würzburger, C. Das Bestäubungsexperiment. Gäbe es ohne Bienen noch Äpfel? Available at https://www.swr.de/odysso/mensch-gegen-biene-bestaeubung-experiment-teil-1/-/id=1046894/did=22348828/nid=1046894/o8mqa/index.html (2018).
  8. Hung, K.-L. J., Kingston, J. M., Albrecht, M., Holway, D. A. & Kohn, J. R. The worldwide importance of honey bees as pollinators in natural habitats. Proceedings. Biological sciences 285; 10.1098/rspb.2017.2140 (2018).
  9. Garibaldi, L. A. et al. Stability of pollination services decreases with isolation from natural areas despite honey bee visits. Ecology letters 14, 1062–1072; 10.1111/j.1461-0248.2011.01669.x (2011).
  10. Garibaldi, L. A. et al. Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey bee abundance. Science (New York, N.Y.) 339, 1608–1611; 10.1126/science.1230200 (2013).
  11. Goulson, D. Conserving wild bees for crop pollination. Food, Agriculture & Environment, 142–144 (2003).
  12. Luca, P. A. de & Vallejo-Marín, M. What's the 'buzz' about? The ecology and evolutionary significance of buzz-pollination. Current opinion in plant biology 16, 429–435; 10.1016/j.pbi.2013.05.002 (2013).
  13. Westrich, P. Die Wildbienen Deutschlands (Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 2018).