Charismatische Frühlingsboten – Die Gehörnte-Mauerbiene (Osmia cornuta)

Die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) ist eine der bekanntesten Wildbienen. An den ersten warmen Tagen im März sind diese Bienen an fast jeder Nisthilfe zu beobachten. Deshalb wollen wir euch die Gehörnte Mauerbiene näher vorstellen und verraten euch ein paar Geheimnisse dieser charismatischen Bienen.

Plüschige Brummer mit Hörnchen 

Mit ihrem schwarzen Brustteil, dem „Thorax“, und dem orange-rot behaarten Hinterleib, der wissenschaftlich „Abdomen“ genannt wird, ist die Gehörnte Mauerbiene kaum mit anderen Wildbienen zu verwechseln. Die Männchen sind mit bis zu 1,3 cm Körpergröße etwas kleiner als die Weibchen, welche bis 1,5 cm groß werden. Neben ihrer kleineren Größe ist das Gesicht der Männchen außerdem auffällig weiß behaart. So lassen sie sich eindeutig von den Weibchen unterscheiden, deren Gesichtsbehaarung durchgehend schwarz ist. Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass die Weibchen kurz über den Mundwerkzeugen, den „Mandibeln“, zwei Hörnchen im Gesicht haben. Diesen Hörnchen verdankt die Gehörnte Mauerbiene ihren Namen.

Abbildung 2: Eine männliche Gehörnte Mauerbiene wartet vor einer Nisthilfe auf die - einige Tage nach ihr schlüpfenden - Weibchen. Foto: M. Moser

Von liebestollen Herren und fleißigen Damen

Gehörnte Mauerbienen sind protandrisch; das bedeutet, dass die Männchen einige Tage vor den Weibchen schlüpfen. Mitte März sind an Brutplätzen oft mehrere Männchen zu beobachten, wie sie auf das Schlüpfen der Weibchen warten. Dabei vollziehen sie oft spektakuläre Flugmanöver, um sich die beste Position zu sichern oder gegen Konkurrenten zu verteidigen (Abb. 2). Schlüpfen dann endlich die Weibchen, stürzen sich die Männchen regelrecht auf sie, um sich sofort zu paaren (Abb. 3). Während die Männchen ihre „Lebensaufgabe“ nach der Paarung praktisch erfüllt haben, beginnt für die Weibchen erst die richtige Arbeit. Die Weibchen beginnen direkt mit dem Brutgeschäft für die nächste Generation. Dabei fliegen sie von Blüte zu Blüte, und sammeln deren proteinreichen Pollen. Osmia cornuta sind nicht spezialisiert, sondern sammeln Pollen auf allen verfügbaren Pflanzen - sie sind also extrem „polylektisch”. In Mandelplantagen wurde beobachtet, dass die Weibchen im Durchschnitt ungefähr 1000 Mandelblüten besuchen müssen, um genug Pollen für einen männlichen Nachkommen zu sammeln. Für einen weiblichen Nachkommen wird sogar der Pollen von 1600 Blüten benötigt. Im Laufe ihres nur wenige Wochen dauernden Lebens besuchen Weibchen bis zu 23.600 einzelne Blüten, um einen Proviant aus Pollen-Nektar-Gemisch für ihren Nachwuchs anzulegen. Ist eine Brutzelle mit ausreichend Gemisch befüllt und das Ei gelegt, verschließt das Weibchen die Brutzelle mit Erde oder Lehm, den sie an feuchten Stellen findet und mit Speichel mischt. Die einzelnen Nester bestehen dabei aus bis zu zwölf einzelnen Brutzellen hintereinander. Gehörnte Mauerbienen gehören zu den wenigen Wildbienen, die keine „eigene“ Kuckucksbienenart haben, die es als Brutparasit auf ihre Nester abgesehen hat.

Abbildung 4: Gehörnte Mauerbienen sind wichtige Bestäuber von Obstbäumen und sind sogar bei niedrigen Temperaturen, Wind und leichtem Regen aktiv. Foto: M. Moser

Bestäubung - das ganz große Geschäft

Erst 2020 errechneten Wissenschaftler der Universität Hohenheim, dass die Bestäubung durch Tiere jedes Jahr einem volkswirtschaftlichen Nutzen von durchschnittlich 1 Billion US-Dollar entspricht. In Deutschland schätzt das Team den Wert der jährlichen Bestäubungsleistung auf 3,8 Milliarden Euro. Es geht also im wahrsten Sinne des Wortes ums ganz große Geschäft. Bereits drei Weibchen der Gehörnten Mauerbiene sind genug, um einen ganzen Mandelbaum zu bestäuben. Während die Bestäubung von Mandelblüten für südeuropäische Länder ein wichtiges Thema ist, profitieren hierzulande besonders Apfel-, Kirsch- und Birnbäume von der Bestäubung durch die Gehörnte Mauerbiene (Abb. 4). Eine vergleichende Studie kam zum Ergebnis, dass Gehörnte Mauerbienen in Apfelplantagen sogar effizientere Bestäuber sind als Honigbienen. Im Gegensatz zu Honigbienen sind Gehörnte Mauerbienen bereits bei niedrigeren Temperaturen (ab 10 °C) unterwegs und sind somit morgens schon früher und abends noch später als Honigbienen fleißig. Außerdem vertragen Gehörnte Mauerbienen Windgeschwindigkeiten bis 50 km/h und sogar leichten Regen. Damit verschaffen Gehörnte Mauerbienen Obstbauern einen entscheidenden Vorteil, da Obstbäume eine relativ kurze Blütezeit haben und niedrige Temperaturen, Wind und Regen im Frühjahr während der Obstblüte keine Seltenheit sind.

Abbildung 1: Gehörnte Mauerbienen sind an fast jeder Nisthilfe zu finden und gut an ihrer schwarzen Brust und dem  gelblich-roten Hinterleib zu erkennen. Die Männchen sind im Gesicht weiß behaart und können nicht stechen. Foto: M. Moser

Schon mal eine Biene gestreichelt?

Wie bei allen Wildbienen haben die Männchen keinen Stachel und können dementsprechend nicht stechen. Deshalb eigenen sich die charismatischen männlichen Mauerbienen ideal zur gefahrlosen Beobachtung, die besonders für Kinder einen großartigen Einstieg in die faszinierende Welt der Wildbienen bieten kann (Abb. 1). Doch Vorsicht, die Weibchen der Gehörnten Mauerbiene haben einen Stachel. Und obwohl Wildbienen ausgesprochen friedfertig sind, schrecken die Weibchen nicht davor zurück, ihren Stachel in größter Not zur Selbstverteidigung einzusetzen. Im Gegensatz zum Stachel von Honigbienen, der mit seinen mikroskopisch kleinen Widerhaken in der Haut von Angreifern stecken bleibt, ist der Stachel von Wildbienen nicht mit Widerhaken besetzt. Anders als Honigbienen überleben die Wildbienen-Damen also einen Stich und können mehrfach zustechen, um sich zu verteidigen.

Abbildung 3: Gehörnte Mauerbienen bei der Paarung. Bei dem größeren Weibchen sind die namensgebenden Hörner auf dem unteren Gesicht gut zu sehen.  Foto: M. Moser

Kinderstube, Jugendzimmer und Junggesellenbude in einem

Genau wie bei Pollen sind die Weibchen bei der Auswahl der Nistplätze nicht sehr anspruchsvoll. Natürliche Hohlräume wie Mauerritzen und Löcher werden genauso besiedelt wie künstliche Hohlräume (darunter z.B. Gartenschläuche, Gartenmöbel, hohle Türgriffe und sogar Radkappen) und Nisthilfen. Bei Nisthilfen bevorzugen Gehörnte Mauerbienen Röhrchen mit einen Durchmesser von 8-9 mm und einer Länge von 20 cm. Die Eingänge der Röhrchen sollten gut geglättet sein und es dürfen keine scharfkantigen Fasern abstehen. Ansonsten laufen die jungen Bienen beim Schlüpfen Gefahr, ihre noch weichen Flügel daran zu zerreißen - ein Todesurteil für jede Biene. Eine Anleitung zum Bau von Nisthilfen findet ihr in unserem Flyer.

Die Larven schlüpfen bereits Tage nach der Eiablage. Sie ernähren sich vom Nektar-Pollen-Vorrat in ihrer Brutzelle und verpuppen sich im Herbst. Den Winter überdauern die erwachsenen Mauerbienen in ihren Brutzellen in Diapause, einem Stadium, in dem der Stoffwechsel dramatisch reduziert ist und in dem die Insekten kaum Energie verbrauchen. Erst an warmen Frühlingstagen im folgenden Jahr, wenn die Temperaturen über 10 °C klettern, verlassen die Gehörnten Mauerbienen zum ersten Mal ihre Brutzellen. Aber halt - wie schaffen es die Männchen jedes Jahr verlässlich, vor ihren Schwestern zu schlüpfen, wenn die Brutzellen in einer Reihe hintereinander angelegt sind? Die Antwort ist so einfach wie genial: die „Mutterbiene“ legt in den hinteren Brutzellen nur befruchtete Eier, aus denen sich weibliche Nachkommen entwickeln. Die Die vorderen Brutzellen werden mit unbefruchteten Eiern bestückt, aus denen männliche Nachkommen hervorgehen. Den Abschluss jeden Nests bildet eine leere Zelle.

Abbildung 5: Durch das Anpflanzen von Frühblühern und Obstbäumen sind gehörnte Mauerbienen fast in jedem Garten zu beobachten.  Foto: M. Moser

Ich bestell‘ mir mal kurz ein paar Bienen…

Nicht nur die Bestäubung ist ein lukratives Geschäft. Inzwischen sind Gehörnte Mauerbienen für weniger als 1 € pro Kokon online zu erstehen. Diese Praxis ist jedoch aus dreierlei Gründen keinesfalls zu unterstützen, denn der Handel mit Bienen kann für die kleinen Insekten wie auch für den Käufer große Probleme nach sich ziehen:
(1) Bei der großangelegten Zucht von Bienen zu kommerziellen Zwecken besteht die Gefahr, Krankheitserreger (z.B. Bakterien oder Viren) und Parasiten (z.B. Milben) zu verschleppen. Am Ort des Empfängers können die Zuchtbienen diese Krankheiten durch den Besuch derselben Blüten auch auf wilde Bienen übertragen.
(2) Räumlich getrennte Populationen unterscheiden sich genetisch und sind an lokale Bedingungen vor Ort angepasst. Werden die Kokons quer durch Europa versendet, sind die schlüpfenden Bienen nicht ideal an den neuen Ort angepasst und können, je nach Anzahl der ausgebrachten Tiere, mit der heimischen Population konkurrieren und diese negativ beeinflussen.
 (3) Alle heimischen Wildbienenarten sind in der Bundesartenschutzverordnung als „besonders streng geschützt“ eingeordnet. Darüber hinaus verbietet § 40 des Bundesnaturschutzgesetzes das Ausbringen von Tieren ohne „Genehmigung der zuständigen Behörde“.

Darüber hinaus ist der Kauf von Osmia cornuta für Privatpersonen unnötig: Obwohl die Biene im Norden seltener ist als in Süddeutschland, ist die Gehörnte Mauerbiene an warmen Standorten flächendeckend anzutreffen. Errichtet man eine Nisthilfe an einen geeigneten Ort (Südseite, sonnenbeschienen und idealerweise überdacht), ist die Besiedlung durch Mauerbienen fast garantiert. Außerdem kann man die Bienen durch das Anpflanzen von heimischen Frühblühern oder Obstbäumen zu sich in den Garten oder auf den Balkon locken (Abb. 5).

Spätestens jetzt seid ihr echte Experten zur Gehörnten Mauerbiene. Wir wünschen euch viel Spaß beim Beobachten! 

Verfasser: M. Moser

Literatur zum direkt Nachlesen

  •  J. Bosch (1994): The nesting behaviour of the mason bee Osmia cornuta (Latr) with special reference to its pollinating potential (Hymenoptera, Megachilidae). Apidologie, Springer Verlag 25 (1), S. 84-93. 
  • C. Lippert, A. Feuerbacher, M. Narjes (2021): Revisiting the economic valuation of agricultural losses due to large-scale changes in pollinator populations, Ecological Economics, https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2020.106860N. Vicens, J. Bosch (2000): Weather-Dependent Pollinator Activity in an Apple Orchard, with Special Reference to Osmia cornuta and Apis mellifera (Hymenoptera: Megachilidae and Apidae). Environmental Entomology 29(3), S. 413–420, https://doi.org/10.1603/0046-225X-29.3.413
  • P. Westrich (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer.