Blühstreifen

Wozu Blühstreifen?

Sie sind bunt, schön anzusehen und vermitteln das Bild eines nahrungsreichen Angebots für Insekten. Die Rede ist von Blühstreifen (Abb. 1). Damit bezeichnet man meist begrünte Brachen oder Ackerränder, auf denen aktiv Saatgut für Blühpflanzen ausgebracht wird1. Das Ziel ist ein Nahrungsangebot für Insekten, insbesondere für Bestäuber wie Wildbienen und Schmetterlinge, zu schaffen2. Des Weiteren sollen die Streifen als Rückzugsort, Brut- und Überwinterungshabitat für Insekten und andere Tiere dienen. Das Ganze kann staatlich gefördert werden und Anspruch haben landwirtschaftliche Betriebe. An sich klingt das nach einer guten Sache, denn immerhin nimmt die Masse an Insekten rapide ab (Krefeld-Studie) und ohne Insekten fehlen uns essenzielle Ökosystemdienstleistungen, wie Bestäubung, natürliche Schädlingsbekämpfung, Aufbereitung von Wasser und vieles mehr. Das bedeutet, Blühstreifen sollen einen Beitrag zum Schutz unserer Insekten leisten. Oft beinhalten die für die Blühstreifen verwendeten Samenmischungen jedoch preisgünstige nicht-heimische Pflanzenarten. So z. B. die Rainfarn-Phazelie (Phacelia tanacetifolia), welche mit ihren blau-violetten Blüten in der Agrarlandschaft besonders häufig ins Auge sticht. In diesem Sinne stellt sich die Frage: Sind Blühstreifen eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz der Insekten?

Abbildung 1: Blühfläche auf einer Ackerbrache (Foto: M. Renninger)

Einjährige Mischungen im Test

Das Institut für Ländliche Strukturforschung (Frankfurt am Main) führte eine Studie durch, um den Nutzen der einjährigen FAKT-Blühmischungen zur Förderung von Bestäubern zu ermitteln5. Dazu untersuchten sie, welche bestäubenden Insekten, darunter Bienen (Wildbienen und die Honigbiene), Schmetterlinge und Schwebfliegen, wie häufig die Blühflächen mit M1- bzw. M2-Mischung im Vergleich zu einer Brachfläche besuchten. Ihre Ergebnisse zeigten, dass vor allem häufige Wildbienenarten vom Blühangebot der einjährigen Samenmischungen profitieren, Schmetterlinge und Schwebfliegen aber kaum (Abb. 2).
Abbildung 2: Abundanz der Insekten auf den verschiedenen Flächentypen (Nitsch et al. 2019)

Zum Potential einzelner Pflanzenarten

Wie groß das Potential einzelner Pflanzenarten ist um Insekten zu fördern, zeigt folgendes Beispiel. An der nicht-heimischen Rainfarn-Phazelie, auch Büschelschön genannt, entwickelt sich nur eine einzige Insektenart, die Schwarze Bohnenlaus (Aphis fabae)7. Sie ist ein bekannter Schädling im Pflanzenschutz, da sie Pflanzenviren auf Zuckerrüben übertragen kann. Um die heimischen Insekten zu fördern, ihnen Entwicklungshabitate und Nahrung zu bieten, ist die Rainfarn-Phazelie also gänzlich ungeeignet. Auf der anderen Seite bieten heimische Pflanzenarten, wie die Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium), ein unglaubliches Potential zur Förderung von Insekten. Ganze 110 Insektenarten können sich allein an der Wiesen-Schafgarbe entwickeln8, darunter auch viele gefährdete Arten und solche, die auf der Vorwarnliste stehen (Abb. 3). Außerdem sammeln 28 Wildbienenarten an ihr Pollen und Nektar4, wie z. B. die seltene Rainfarn-Seidenbiene (Colletes similis) oder die Pförtner-Schmalbiene (Lasioglossum malachurum). Wenn man also den Insekten helfen möchte, braucht man heimische Pflanzen, da ihre Entwicklung eben an genau diese angepasst ist.

Kurz und bündig...

Das Anlegen von Blühstreifen gilt als eine beliebte Maßnahme im Kampf gegen das Insektensterben. Sie sollen als Nahrungsangebot für Insekten, aber auch als Rückzugs- und Überwinterungsort dienen. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass das Blühangebot gängiger einjähriger Blühstreifen nur häufigen Arten und Nahrungsgeneralisten zugutekommt und spezialisierte Arten kaum gefördert werden. Außerdem enthalten die Mischungen der einjährigen Blühstreifen viele gebietsfremde Arten, die für heimische Insekten oft ungeeignet sind. Das bedeutet, dass einjährige Blühstreifen mit ihrem Blühangebot häufige Bestäuberarten unterstützen können, jedoch nicht als Naturschutzmaßnahme gegen das Insektensterben angesehen werden können. Nur mehrjährige Blühstreifen mit einem hohen Anteil an heimischen Pflanzenarten, haben das Potenzial die Biodiversität zu fördern, da sie heimischen Arten die Pflanzen und den Boden für ihre Entwicklung bereitstellen sowie langfristig gebietstypischen Pflanzenarten die Wiederansiedlung ermöglichen.

Zu den Fakten: Die FAKT-Mischungen

In Baden-Württemberg gibt es die sogenannten FAKT-Blühmischungen, deren finanzielle Förderung über das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beantragt werden kann3. FAKT steht für das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl. Bisher gibt es drei FAKT-Mischungen: M1, M2 und M3. Dabei handelt es sich um einjährige (M1, M2) bis mehrjährige (M3) Mischungen. Landwirte, die eine staatliche Förderung erhalten, verpflichten sich für 5 Jahre bestimmte Vorgaben zu beachten. Dazu zählt u. a., dass auf den Flächen kein Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausgebracht und erst im Dezember gemulcht werden darf. Diese Vorgaben sollen verhindern, dass durch die Blühstreifen angelockte Insekten unbeabsichtigt vergiftet oder beim Mulchen getötet werden. So viel zur Theorie. Schauen wir uns also die Mischungen mal im Detail an.

Von wegen heimisch

Für alle drei FAKT-Mischungen gibt es Pflanzenlisten, in denen der prozentuale Anteil der Pflanzen in der jeweiligen Mischung vorgegeben wird. Der höchste Anteil in den einjährigen Mischungen M1 und M2 nehmen Rainfarn-Phazelie, Klatschmohn (Papaver rhoeas) und Persischer Klee (Trifolium resupinatum) ein. Rainfarn-Phazelie sowie Persischer Klee sind in Deutschland nicht heimisch und nur eine einzige Wildbienenart, die Gewöhnliche Keulhornbiene (Ceratina cyanea), sammelt Pollen und Nektar an Phazelie4. Der einzige Unterschied zwischen den Mischungen besteht im Verzicht auf Kreuzblütler oder Buchweizen in der M2-Mischung, da diese in Betrieben mit hohem Anteil an Kreuzblütlern, wie Raps oder Senf, eingesetzt werden soll. Die mehrjährige M3-Mischung beinhaltet neben Klatschmohn und Phazelie auch Pflanzenarten, wie die Luzerne (Medicago sativa) und die Wiesenmargerite (Leucanthemum vulgare), die vielen Wildbienenarten Pollen und Nektar bieten können. Auffällig ist, dass der Anteil an heimischen Pflanzenarten in den einjährigen Mischungen nur etwa 30-40% ausmacht, wohingegen die mehrjährige Mischung ca. 80% an heimischen Arten beinhaltet.

Nur was für den Allesfresser?

Weitere Untersuchungen in Göttingen befassten sich mit dem Nutzen von einjährigen, mehrjährigen und strukturreichen (ein- und mehrjährigen) Blühflächen für Hummeln6. Die einjährige Mischung wurde am häufigsten von Hummeln besucht, jedoch war die Anzahl der verschiedenen Hummelarten in allen Mischungen gleich. Die Untersuchungen zeigten, dass vor allem Nahrungsgeneralisten, wie die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) oder die Ackerhummel (Bombus pascuorum) von dem Blühangebot profitieren. Für Nahrungsspezialisten, die auf bestimmte Pflanzenarten angewiesen sind, sind die Mischungen jedoch eher ungeeignet. Dies liegt vermutlich an den in den Mischungen enthaltenen Pflanzenarten. Während Nahrungsgeneralisten auch nicht-heimische Arten, wie Phazelie, als Nahrungsquelle nutzen können, sind die Pflanzen für spezialisierte Wildbienenarten ungeeignet. Wieso jede Biene ihre Blüte braucht, erfahren Sie im Artikel über Bestäubung. Außerdem enthielt der gesammelte Pollen der Hummeln nur etwa 50% der ausgesäten Pflanzenarten, was bedeutet, dass die Mischungen nur bedingt Nahrungspflanzen für die Hummeln enthalten. 
Abbildung 3: Wiesen-Schafgarbe vs. Rainfarn-Phazelie. 1: Tristan Bantock, 2: Andreas Haselböck, 3: Didier Descouens, 4: Andreas Haselböck, 5: Alvesgaspar, 6: janet graham, 7: Donald Hobern

Fazit: Nur mehrjährige Blühstreifen können zur Rettung der Biodiversität beitragen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass einjährige Blühstreifen als Unterstützung für häufige Arten und Nahrungsgeneralisten dienen können, man sie jedoch keinesfalls als effektives Mittel zur Rettung der Insekten ansehen darf. Um Insekten nachhaltig zu fördern und um ihnen Entwicklungs- und Überwinterungshabitate zur Verfügung zu stellen, sollte man bevorzugt heimisches, besser regionales Saatgut verwenden. Außerdem sollte man sich vor dem Anlegen von Blühstreifen klar sein, was man erreichen möchte. Kann man mit einjährigen Blühstreifen Bestäuber in strukturarmen Landschaften anlocken? Ja. Dient es dadurch dem Naturschutz? Nicht wirklich. Dadurch, dass Insekten angelockt, die Flächen jedoch jährlich umgebrochen werden, kann es sogar zur zusätzlichen Schädigung der Insektenfauna kommen. Um seltene, gefährdete Arten zu fördern, sind mehrjährige Blühstreifen mit einem hohen Anteil an heimischen Pflanzen notwendig. Sie bieten heimischen Insektenarten die für ihre Entwicklung notwendigen Pflanzenarten, den ungestörten Boden für ihre Erdnester sowie die Möglichkeit der langfristigen Wiederansiedlung gebietstypischer Pflanzenarten.

Verfasser: M. Renninger

Literatur zum direkt Nachlesen

    1. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. E - Umweltschonende Pflanzenerzeugung und Anwendung biologischer/biotechnischer Maßnahmen. Available at https://foerderung.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Foerderwegweiser/E_Ackerbau#anker4671674, abgerufen am 26.04.2021
    2. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Förderprogramm Blühflächen und Biodiversitätspfade. Available at https://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unsere-themen/biodiversitaet-und-landnutzung/foerderprogramm-bluehflaechen-und-biodiversitaetspfade/, abgerufen am 26.04.2021
    3. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT). Available at https://foerderung.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Foerderwegweiser/Agrarumwelt_+Klimaschutz+und+Tierwohl+_FAKT_, abgerufen am 26.04.2021
    4. Westrich, P. 2019. Die Wildbienen Deutschlands. 2. Auflage, Ulmer Verlag, Stuttgart.
    5. Nitsch, H. et al. 2019. Ad hoc-Studie zur faunistischen Bewertung von FAKT-Blühmischungen. Institut für ländliche Strukturforschung, Frankfurt.
    6. Piko, J. et al. 2021. Effects of three flower field types on bumblebees and their pollen diets, Basic and Applied Ecology. https://doi.org/10.1016/j.baae.2021.02.005 
    7. BRC (Biological Records Centre). Database of Insects and their Food Plants. Phacelia. http://www.brc.ac.uk/dbif/hostsresults.aspx?hostid=3929, abgerufen am 26.04.2021
    8. BRC (Biological Records Centre). Database of Insects and their Food Plants. Achillea millefolium. http://www.brc.ac.uk/dbif/hostsresults.aspx?hostid=104, abgerufen am 26.04.2021

     

    Weiterführende Links

    Link zu heimischem Saatgut: https://www.natur-im-vww.de/