Die Gemeine Florfliege – Ein blattlausvertilgender „Gesangskomplex“

 

Der Name trügt. Die Gemeine Florfliege (Chrysoperla carnea, Abb. 1) ist eigentlich keine Fliege, auch wenn sie vielleicht auf den ersten flüchtigen Blick wie eine aussehen mag. Tatsächlich ist sie ein Angehöriger der Netzflügler, oder Neuropteren, zu denen auch die vielleicht bekannteren Gruppen der Schmetterlingshafte oder Ameisenjungfern gehören. Ihnen sind filigran gebaute und mit zahlreichen Adern durchzogene Flügel gemein, die in Ruhe dachförmig über den Körper gefaltet werden.

 

Die weltweit verbreitete Gemeine Florfliege ist jedoch noch unter einem anderen, passenderen Namen bekannt: Das Goldauge. Wer einem solchen, bis zu 3 cm großen Tier begegnet, sollte ihm mal tief in seine irisierenden (Komplex-) Augen schauen, die dem Namen tatsächlich alle Ehre machen. Man findet die abend- bzw. nachtaktiven Tiere oft an Grashalmen sitzend, oder in der Nähe von Blattlauskolonien, wo sie gerne ihre Eier ablegen. Blattläuse sind nämlich die bevorzugte Beute der Larven. Die ausgewachsenen Tiere der Gemeinen Florfliege ernähren sich hingegen von Nektar und Pollen; ohne entsprechende Blütenpracht können sich also auch diese Nützlinge nicht ans Werk machen!

 

Blattlauskolonien sind jedoch ein gefährliches Pflaster, da sich Ameisen gerne am Honigtau, einer zuckersüßen Ausscheidung der Blattläuse, bedienen und deshalb die Blattlauskolonien erbittert gegen Angreifer verteidigen. Florfliegeneier werden daher mit einem langen Stielchen abgelegt, um sie vor den eifrigen Ameisen zu schützen, sodass diese die Eier nicht erreichen können (Abb. 2). Nach dem Schlupf haben sich einige Verwandte der Gemeinen Florfliege etwas Cleveres, wenn auch Makabres einfallen lassen, um gefährliche Zusammenstöße mit Ameisen zu vermeiden: Sie tarnen sich mit den ausgesaugten Körpern ihrer Opfer! Diese werden auf ihrem mit Haaren bewehrten Rücken befestigt und gaukeln den Ameisen vor, ein Teil der Kolonie zu sein. Manche Arten verwenden allerdings auch Rindenstückchen oder Ausscheidungen ihrer Opfer, um unbemerkt zu bleiben.

 

Die Florfliegenlarven sind mit zwei langen hohlen Saugzangen bewehrt, die sie bei der Nahrungsaufnahme benutzen, um ihre Opfer auszusaugen (Abb. 3). Ähnlich wie Marienkäfer sind daher Florfliegen ideale Gegenspieler im Kampf gegen Blattläuse, von denen sie hunderte während ihres Wachstums vertilgen können; weshalb sie auch im Pflanzenschutz eingesetzt werden. Nachdem die Larven genug gefressen haben, verpuppen sie sich in geeigneten Verstecken wie kleinen Ritzen in der Baumrinde oder zwischen Pflanzenteilen. Dazu bauen sie sich einen Gespinstkokon, der sie vor der Umwelt und Feinden schützt. Beim Schlupf ist eine Besonderheit der Netzflügler zu beobachten, die in der Klasse der Insekten wenig verbreitet ist: Nicht das ausgewachsene Tier schlüpft aus der Puppenstube, sondern eine mit starken Mundwerkzeugen bewährte Zwischenform, die sogenannte Pupa dectica, die sich erst nach diesem Kraftakt zum geschlechtsreifen Tier häutet.

Abbildung 1: Ausgewachsenes Tier der Gemeinen Florfliege (Chrysoperla carnea). Foto: Michael Haas
Abbildung 2: Das Eigelege einer Florfliege auf einem Blatt. Gut zu erkennen ist das Stielchen an jedem Ei, das dafür sorgt, das Ei von der Blattfläche zu heben und so vor Fressfeinden zu schützen. Foto: Andreas Haselböck
Abbildung 3: Larve der Gemeinen Florfliege mit Blattlausbeute in den langen Saugzangen. Credit: Eric Steinert, CC BY-SA 3.0

Um einen geeigneten Geschlechtspartner zu finden, werden Ultraschalllaute durch Vibrationen des Hinterleibs erzeugt. Im Gegensatz zu bspw. Heupferden sind diese Laute allerdings für das menschliche Ohr unhörbar. Man kann die Erzeugung aber am vibrierenden Hinterleib der Tiere erkennen. Bei Untersuchungen dieser „Lockgesänge“ wurde festgestellt, dass sich hinter der Gemeinen Florfliege eigentlich ein Komplex verschiedener Arten versteckt, von denen jede für sich einen eigenen Gesang entwickelt hat. Äußerlich sind diese „Gesangs-Arten“ aber kaum bis nicht voneinander zu unterscheiden. Dies ist ein Beispiel dafür, dass selbst weit verbreitete, vermeintlich gut bekannte Arten, eine noch unerforschte Artenvielfalt umfassen können.

 

Die Gemeine Florfliege kommt übrigens in zwei Generationen im Jahr vor, die sich farblich stark voneinander unterscheiden: Während die erste Generation grasgrün daherkommt, ist die zweite Generation, die dann auch als ausgewachsenes Tier überwintert, braun gefärbt (Abb. 4). Es ist also Vorsicht geboten. Nicht jede Art lässt sich ohne Weiteres erkennen und könnte eine ungeahnte Vielfalt an unbekannten Arten umfassen.

Verfasser: M. Haas

Abbildung 4: Ausgewachsenes Tier der Gemeinen Florfliege im Winterkleid der zweiten Generation. Foto: Andreas Haselböck

Literatur zum direkt Nachlesen

  • McEwen, P., New, T., & Whittington, A. 2001. Lacewings in the Crop Environment. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Bellmann H., Honomichl K. 2007. Jacobs/Renner - Biologie und Ökologie der Insekten. Spektrum Akademischer Verlag.